Ich möchte euch gerne die Geschichte von meinem Pferd Tamar und mir erzählen. Eine Geschichte, bei der ich noch auf dem Weg zu meinem Pferd bin und wir mittendrin stecken, uns zu finden.
Tamar ist im Sommer 2021, gerade dreijährig geworden, in mein Leben gekommen. Ich war eineinhalb Jahre nachdem mein Herzenspony gestorben war, gezielt auf Pferdesuche und ich wusste auf den ersten Blick: Das ist sie. Eigentlich wollte ich einen Wallach. Eigentlich sollte das Pferd schon zwischen fünf und sieben sein. Eigentlich auch nicht ganz so groß … Aber die ganzen „Eigentlichs“ wurden zur Seite geschoben und Tamar wurde mein Pferd.
Sie ist ein Deutsches Sportpferd mit viel Blut und ein totales „Ein-Mensch-Pferd“, das viel zu sensibel für den Sport und für die typische Reiterei auf Kosten der Pferde ist. Sie soll mit ganz viel Zeit, Ruhe, Fachwissen, Selbstreflexionsbereitschaft und Liebe zum Freizeit-Dressurpferd und Therapiepferd ausgebildet werden. Ich selbst bin engagierte Freizeitreiterin, reite gerne sportlich, interessiere mich sehr für biomechanische Zusammenhänge und finde, dass die klassische englische Reitlehre, wenn man sie denn wirklich wörtlich nimmt, sich auch wirklich an die Skala der Ausbildung hält etc. gar nicht so falsch ist.
Es begann ganz leicht …
Nachdem ich Tamar einen Monat in ihrem Heimatstall kennengelernt hatte, zog ich mit ihr nach Norddeutschland, da dort mein eigentliches Zuhause ist, ich sie aber in Baden-Württemberg gekauft hatte. Erstmal starteten wir in eine super schöne und sehr entspannte Zeit und ich war immer wieder überrascht, wie einfach es mit einem jungen Pferd doch sein kann:
Wir waren alleine spazieren und
in allen drei Gangarten ausreiten,
ritten in fremden Hallen, ohne dass sie sich auch nur ein bisschen aus der Ruhe bringen ließ,
machten Freiarbeit auf dem Platz und
sie kam schon zum Tor ihres schönen Offenstalls, wenn sie mein Auto hörte.
Natürlich war nicht alles perfekt, manchmal machte sie im Gelände einen Satz. Einmal überraschte mich ein besonders großer Bocksprung und ich landete im Sand. Und mal stieg sie an der Hand, wenn auf der Weide nebenan die Pferde umher tobten. Doch alles in allem war es ein easy erstes Jahr für uns.
… wurde dann aber schwieriger
Vierjährig wechselte Tamar dann den Stall. Da unser kleiner Offenstall im Begriff war, sich aufzulösen, entschied ich mich für einen Stall mit besseren Trainingsbedingungen, um reiterlich ein bisschen mehr voranzukommen. Wir hatten immer noch gute Phasen, aber nun gab es die schwierigen Phasen auf jeden Fall auch! Es war vor allem zu viel Energie, die Tamar unter dem Sattel loszuwerden versuchte, und ich saß teilweise auf einem auf der Stelle wie wild bockenden Pferd. Sie stieg immer öfter an der Hand, auch wenn keine Pferde nebenan tobten, sondern nur der riesige leere Reitplatz gerade so einladend zum Rennen schien. Ausreiten ging nicht mehr, schon auf den ersten 100m weg vom Hof war sie mir dreimal durchgegangen. Mit viel „erstmal laufen lassen“ und ablongieren schafften wir es dann zwar, durch den Winter zu kommen, aber das war alles nicht so, wie ich es mir wünschte, und die Tipps der Stallkollegen belasteten mich mehr und mehr. Ich sollte strenger sein, ich sollte mich mal durchsetzen, ich sollte eine schärfere Ausrüstung verwenden, ich sollte sie eng ausbinden beim Longieren, so dass sie sich zum Bocken nicht so frei machen kann … Ich hielt zwar durch und longierte tapfer weiter am Halfter oder am Kappzaum, je nachdem worauf der Schwerpunkt an dem Tag gesetzt wurde, aber wohl fühlten wir uns nicht.
Und da stehen wir heute
Knapp acht Monate später zog Tamar dann wieder in einen Offenstall. Es ist ein ganz besonderer Offenstall, in dem die Herde im Sommer auf 25 Hektar Naturschutzgebiet lebt und ich es mir freier und artgerechter nicht vorstellen konnte. Wir begannen also ein neues Kapitel und Tamar war direkt mit dem Umzug viel ausgeglichener. Wir haben aber immer noch die Momente, in denen sie mir manchmal an der Longe völlig durchdreht. Dann steigt sie und bockt und steht da zitternd vor Anspannung und kann gar nicht mehr klar denken. An anderen Tagen sind wir dann wieder völlig entspannt ausreiten, reiten ohne Sattel auf der Koppel, schaffen es alleine vom Naturschutzgebiet an den Stall zu gehen und dort voller Freude und Motivation zu arbeiten. Aber das gilt leider nicht immer.
Genau heute komme ich wieder mit Brandblasen an den Händen nach Hause, weil sie mir in der Bodenarbeit auf der Koppel mal wieder völlig explodierte, als anscheinend für sie die Zeit gekommen war, dass sie jetzt doch auch mal wieder zur Herde zurück könnte. Fünf Minuten später bietet sie mir in der Freiarbeit dann wieder Seitengänge an, lässt sich frei von einer Führposition hinter dem Pferd über die Koppel dirigieren und fühlt sich pudelwohl in meiner Gesellschaft. Mein Pferd bringt mich manchmal an den Rand der Verzweiflung und ich habe auch immer wieder Angst vor ihr, um sie und ob es uns gelingt, die Situation noch zum Guten zu wenden.
Ich arbeite nun mit Tanias und Babettes Anti-Angst Kurs, aber auch da haben wir noch ein Stück Weg vor uns. Aber mit Tanias Einstellung fühl ich mich sehr sehr wohl. Wenn ich ihre Bücher, Kurse und Blogbeiträge lese, bestärkt es mich immer wieder, dass wir in noch kleineren Schritten arbeiten sollten und ich kein „böses, unberechenbares“ Pferd habe. Ich glaube daran, dass wir auf diese verständnisvolle, ruhig und konsequente Art noch zu einem Team werden, das immer weniger Tamar-Explosionen überstehen muss und wir uns irgendwann so gut gefunden haben, dass immer feiner und sanfter miteinander kommuniziert werden kann. Morgen zum Beispiel werden wir in der Bodenarbeit auf der Koppel immer wieder absichtlich zurück zur Herde gehen. Ich denke nun, sie braucht kurz die Sicherheit, dass alle da sind, der Chef aufpasst und ihre Freunde auf sie warten und hoffe, dass sie dann in der Bodenarbeit nicht mehr das Gefühl hat, jetzt ganz schnell zurück zu müssen.
Wenn Ihr für diesen Weg noch Tipps und Ratschläge habt, freue ich mich sehr darüber! Tamar ist mein Seelenpferd und ich weiß, wir schaffen das, aber manchmal kann ich trotzdem ein bisschen Rückhalt und Unterstützung gebrauchen.
Ich folge Deine Seite schon länger und Du bist eine große Inspiration für mich, meinen eigenen Weg zu gehen. Vorher kannte ich nur „Du musst der Chef sein“, was dann überhaupt nicht mit meinem Kleinen (120cm reiner Wahnsinn) klappte, aber alle mir geraten haben, weil das Pony ja stinkfrech ist, und gehorchen muss, und und und… Das Ende vom Lied ist, dass erst als ich mich wirklich für sein wundervolles Wesen geöffnet habe – ohne die Stimmen im Hinterkopf zu hören, dass man ein Steiger und Rempler und Beißer und was-auch-immer zeigen muss, wer hier der Chef ist (und ich reagiere sofort allergisch darauf, wenn ich das Wort höre) – eine viel bessere, engere und lockere Beziehung zu ihm habe.
Mein kleiner Wirbelwind entscheidet oft und gerne mit, und zeigt auch deutlich, wenn etwas ihm passt – oder eben nicht. Ich nenne es Rahmenarbeit und sage „Okay, heute gehen wir raus, aber du entscheidest Weg und Tempo.“ Meine einzige Bedingung ist dann, dass er vorwärts geht und nicht die ganze Zeit – natürlich gehören Graspausen auch dazu – die Nase am Boden hat. Wie schnell und in welcher Richtung wir uns sonst bewegen, entscheidet er. Oder wir gehen auf dem Reitplatz und spielen. Ich habe gewisse Übungen, die ich gerne zur Gymnastizierung mache, aber wenn er dazwischen auch ein paar Hüpfer macht oder so, ist das für mich ganz in Ordnung.
Es gab aber Zeiten, wo ich für jeden Schritt weg vom Stall geklickt habe, und wenn ich keine Leckerlis mehr hatte, sind wir zurück. Manchmal kamen wir nur 50 Meter. Aber dadurch, dass ich sein Nein akzeptiert habe, habe ich heute den besten Partner, den ich mir wünschen könnte. Es gibt immer noch Sachen, die er nicht gerne macht, und diese vermeiden wir soweit es geht. Hufpflege und TA sind aber indiskutabel, da muss er mitmachen, auch wenn er es nicht immer toll findet. Aber auch die Termine versuchen wir ihm so stressfrei und angenehm wie möglich zu gestalten.
Als sich sein Nein zu einem Ja geändert hat, war es das schönste Gefühl der Welt, und ich bin so froh, dass ich ihm die Zeit geben konnte, die er gebraucht hat, um unsere Beziehung neu aufzubauen. Vor allem bin ich dankbar, dass er genug Geduld hatte mit mir, bis ich endlich verstanden hatte, dass ich meine alte Muster ablegen konnte und musste, und dass es einen anderen Weg gibt.
Ich muss nicht „Chef“ sein, er muss nicht sich alles gefallen, und wenn wir beide die Grenzen akzeptieren, haben wir eine viel ehrlichere Beziehung zueinander. Er hat mir nicht für meine Fehler verziehen, und das muss er auch nicht, es gibt bis heute noch Sachen, die mit ihm nicht funktionieren (und halt auch nicht funktionieren müssen, egal was andere sagen), aber ich habe dafür eine ehrliche Beziehung zu ihm aufbauen können, wo wir uns gegenseitig auch trauen, zu sagen wenn was nicht stimmt.
Am Ende vom Tag muss ich nur ein Wesen in die Augen schauen können, und das ist mein Pony. Was alle andere dazu sagen, ist mir egal.
Liebe Tania, vielen Dank für die Inspirationen und Gedanken.
Du hast Recht damit: Vorbilder braucht es! Mein Pferd und ich sind gerade Vorbild – obwohl wir gar nicht „viel“ machen, eigentlich „weniger“… Ich gehe die Gratwanderung zwischen fordern und fördern mit Joba – in vielen kleinen, noch kleineren Schritten: zwei Kurse bei euch (Online bei Babette, und den Selbstlernkurs Vertrauen) und ich hab so viel auszuprobieren und zu erspüren. DANKE.
Mein erstes eigenes Pferd, und alles ist anders.
Ich staune über uns – und auch wenn es immer mal wieder herausfordernde Situationen gibt – ich bleib dabei, ich möchte ein Zusammensein mit meinem Pferd, in dem er sich genauso wohlfühlen kann, wie ich mich. Auch wenn das bedeutet, immer mal wieder auch ein oder zwei Schritte zurückzugehen. Loszulassen vom eigenen Zeitplan oder Druck, den man sich und seinem Pferd macht.
Es ist der Weg, der anfangs nicht einfacher ist – und ich verstehe die Menschen, die aufgeben und dann doch wieder ins „alte“ Mensch-Pferd-Muster fallen, selbst bei meiner Stallfreundin, die so viel pferdegerechter agiert – aber durch mein konsequentes Selbstreflektieren und immer wieder fragen: „War das pferdegerecht?“ kommt sie selbst immer wieder ins Nachdenken und möchte etwas verändern an ihrer tradierten Sicht!
Ich, die über viel weniger Erfahrung im Umgang mit Pferden verfügt, und ein junges Pferd, was jeden Tag zeigt, was ein zufriedenes Pferdeleben ausmacht und ausstrahlt auf ALLE beteiligten Menschen und Pferde, sind Vorbilder.
Die Leitstute ist mittlerweile ein so zufriedenes Pferd – es ist eine herzöffnende Freude zu sehen, wie wohl sie sich fühlt, dass da jetzt ein Bursche ist, der ihr auch mal was abnimmt und sie entspannt abgeben kann. Wir haben eine richtige Entscheidung getroffen: ihn zu uns zu holen. Auch in der Integrationsphase hab ich mich durchgesetzt und mit MINI-MINI-Schritten gab es eine Integration in die Miniherde wir aus dem Bilderbuch – es hat einfach gepasst!
Ich habe mir jetzt auch deinen Kurs Versteh dein Pferdgekauft – ich verfüge über ein sehr gutes Gespür – aber es geht sehr schnell, dass man das ausblendet, und einfach „macht“ und „anwendet“ und ich möchte nicht zum Methodenroboter werden, sondern eine ausgewogene Mischung erreichen. Vor allem beim Klickern ist es meiner Meinung gefährlich, da es sich für mich durch das gezielte Verstärken manchmal nicht echt genug anfühlt. Von daher setz‘ ich das ausgewählt ein.
Ich hab auch eine wundervolle Trainerin, die auch mit positiver Verstärkung arbeitet und mich da wirklich toll begleitet. Das ist gold wert. Und auch meine Stallfreundin, die so viel Erfahrung hat und neu lernen will, das ist beeindruckend für mich. 🙂 Ich bin einfach dankbar, dass ich das alles so erleben darf.
Es gibt noch viel, viel zu lernen. Aber ich freu mich drauf. Es macht mir kein Unbehagen mehr. Das hat sich verändert. Ich hab keine Angst. Ich sehe es als Prozess. Zu wachsen. Genauso wie Joe. Er ist jetzt seit dreieinhalb Monaten bei mir und wir haben schon so viel gelernt und uns aneinander erfreut. Ich bereue es keine Sekunde. 🙂
Ich wünsche dir ein paar wunderbare Herbsttage – mit der Leichtigkeit der fallenden Blätter und den schlafenden Knospen, die sich vorbereiten auf das Erblühen. Ausruhen und Wachsen, das ist der Rhythmus der Natur. Und den sollten wir Menschen als Vorbild nehmen.
Alles Gute dir, Nadja
Mein „kleiner Joe“, (Joba) wächst und gedeiht und ist weder körperlich noch seelisch „klein“ 😉 Hier folgt er der Hand, Freiarbeit auf der Weide:
Hier ein Schnappschuss von unserem Aufhalftern – mittlerweile schlüpft er ins Halfter. Zu Beginn wollte er das gar nicht. Dank eurer Impulse. 🙂
Kein „Da-muss-er-durch“. Einfach spielerisch und mit Freude. DANKE.
PS: und auch Betteln tut er nicht mehr – auch das haben wir trainiert, wie ihr im Antiangst-Kurs beschrieben habt.
Ich bin jetzt 57 Jahre alt und habe vor 6 Jahren einen süddeutsches Kaltblutwallach als Reit- und Pflegebeteiligung kennengelernt, um den sich seine Besitzer kaum gekümmert haben und der sehr introvertiert war. Camillo war damals 14 Jahre alt. Er kannte eigentlich nicht viel und wir haben von ganz vorne angefangen: am Strick gehen, Hufe geben, spazieren gehen und auch longieren.
Babette Teschens Longenseminar war für uns eine Erleuchtung. Da habe ich ihn zum ersten Mal wirklich wach und begeistert bei der Sache erlebt und gesehen, was mit ihm möglich ist. Dann ging es richtig los: wir begannen auch miteinander zu spielen, wie Podest, Hütchen, Teppich ausrollen …
Irgendwann ließ ich ihm einen Sattel anpassen und habe mich auf ihn gesetzt. Da ist mir erst richtig klar geworden, dass er auch eigentlich nicht eingeritten war. Auch das war ein langer Weg, bis ich langsam auch im Sattel zu ihm durchgedrungen bin und gelernt habe, wie ich ihn motivieren und erreichen kann.
Jetzt wird er einundzwanzig und vieles funktioniert toll. Wir reiten mittlerweile gebisslos. Wir verstehen uns am Boden super. Wir können miteinander motiviert und mit Spaß auf dem Platz arbeiten, im Sattel, an der Longe und auch frei. Wir haben tolle Ausritte und Wanderritte gemacht und im Schritt, Trab und Galopp alles Mögliche bewältigt: steile Hänge klettern, durch Wasser waten, durch Bäume schlängeln, über kreuz und quer liegende Baumstämme kraxeln und vieles mehr …
Alleine ausreiten (ohne Kumpels, nur wir zwei) ist allerdings für ihn oft schwierig, er ist dann ängstlich und neigt dazu, irgendwann Richtung Stall loszustürmen. Das ist für mich ein echter Angstfaktor (vor allem nach einem Sturz, bei dem Camillo Gottseidank nichts passiert ist, ich mir aber mehrere Rippen geprellt habe und mich monatelang nicht schmerzfrei bewegen konnte). Und dann läuft die Zeit viel zu schnell und Camillo und ich werden alt und steif …
Inspiriert von dem Beitrag „Reiten mal ganz anders“ möchte ich heute auch meinen Weg mit meinem Pferd teilen, denn auch ich reite meinen 14-jährigen Wallach nach Jahren als Fußgängerin nun ab und zu wieder.
Gekauft habe ich damals ein sehr braves, junges Pferd mit tollen Dressuranlagen, um ihn vor einem Leben als Sportgerät zu bewahren. In den ersten Jahren habe ich festgestellt, dass er nicht unbedingt „brav“ sondern eigentlich eher „emotional abgestumpft“ war. Er hat die Zeit mit Menschen ertragen, das Reiten ertragen und wenn er hin und wieder doch seine Meinung gesagt hat, wurde er bestraft. Ja, … auch von mir. Das ist das Einzige in meinen Leben, das ich zutiefst bereue. Aber damals gab es für mich leider keine anderen Vorbilder. Überall um mich herum nur der klassische, unterdrückende Umgang, den man auch leider heute noch zu oft sieht.
Zum Glück bin ich dann – endlich muss man sagen! – auf eure Seite „Wege zum Pferd“ gestoßen. Ich war (und bin) so begeistert, dass ich sofort angefangen habe, Dinge zu ändern. So wurde nach und nach aus kleinen Veränderungen eine große Entscheidung: Ich habe der Stimme meines Pferdes Gehör geschenkt und das Reiten aufgegeben. Und trotz vieler blöder Nachfragen Außenstehender, wusste ich: Es ist die richtige Entscheidung. Eine Entscheidung FÜR mein Pferd.
Die Jahre danach waren ein Wechselbad der Gefühle, einerseits wurde das Zusammensein mit meinen Pferd immer schöner, andererseits der Druck und die Angst, meinem Pferd nicht das Allerbeste bieten zu können, immer größer. Irgendwann fühlte es sich nur noch wie eine Belastung an. Ich konnte all das, was in der Haltung nicht optimal umzusetzen war, kaum noch ertragen. Ich konnte das Wissen um seinen schlimmen Start ins Leben (mit 2 Jahren wurde er von seiner ersten Halterin fast zu Tode gehungert) kaum noch ertragen, geschweige denn die Narben, die sich über seinen gesamten Körper ziehen. Dieses Pferd hatte Schlimmstes erlebt und in meinen Augen war das, was ich ihm bieten konnte, nicht ansatzweise genug.
Dann passierte etwas, das sich im Nachhinein als Wendepunkt herausstellen sollte: Mein Pferd war für Monate lahm und quälte sich bei jedem Schritt. Erst nach den Röntgenaufnahmen war klar: Sesamoidose im fortgeschrittenen Stadium, Arthrose an beiden Hinterbeinen, ein Fesselträgerschaden und ein Chip am Hufgelenk. Die Prognose der Tierärztin war ziemlich schlecht … Für manche wäre das vielleicht ein Schock gewesen aber für mich war es eine Erlösung! Ich wusste endlich, dass es richtig war, auf mein Pferd zu hören, und war wie befreit. Ein wunderbares Gefühl zu wissen, dass die Entscheidung für mein Pferd genau richtig war. Und genau das wollte ich auch weiterhin so machen. Ich wollte erstmal auf mein Pferd hören, schauen was er mir signalisiert, und das war eindeutig Lebenswillen!
So verging die Zeit als Fußgängerin mit meinem Pferd, bis ich irgendwann das Gefühl hatte, Spaziergänge im Schritt reichen ihm nicht mehr. Mein Pferd entwickelte eine völlig ungewohnte Lust an Bewegung, sodass ich mich nach vielen lahmfreien Monaten einfach getraut habe, mal wieder aufzusteigen. Ich hätte mir vor einiger Zeit nicht vorstellen können, dass das möglich ist. Reiten war für mich kein Thema mehr. Ich hatte meinem Pferd zuliebe das Reiten aufgegeben und damit ehrlich meinen Frieden gefunden. Bodenarbeit und Spaziergänge haben uns näher zusammengebracht und die Wunden vieler verkorkster Reitstunden geheilt.
Jetzt wieder in den Wald zu reiten und die Energie meines Pferdes zu spüren, ist einfach nur toll. Er will laufen und das darf er auch! Aber eine Lernaufgabe, beinhaltet auch dieser Neuanfang: Es ist ähnlich wie mit Tania und Anthony … – mein Pferd trägt mich gerne, er lässt sich völlig frei satteln und wartet brav bis ich aufgestiegen bin. Aber sobald ich oben bin, nimmt er das Zepter in die Hand und ich darf Beifahrerin sein. Das fällt mir noch sehr schwer, aber ich merke immer öfter, dass ich mich auf ihn verlassen kann. Er lässt sich „im Notfall“ immer bremsen und wieso sollte ich ihn nicht einfach ein bisschen sein Ding machen lassen? Schließlich wollte ich ihm mehr Freiheit und die Möglichkeit, sich auszulasten, geben. Vielleicht ist das der Anfang einer ganz neuen Reitbeziehung, die ich so bisher nicht kannte. Ein neuer Abschnitt in unserem gemeinsamen Leben.
Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, einfach nur zu schauen, was passiert und auf die Signale meines Pferdes zu achten. Die Zeit wird zeigen, wo unser Weg noch hinführt. Aber eins ist sicher: Mein Pferd und ich gehen diesen Weg gemeinsam.
Danke für all die Unterstützung während der vergangenen Jahre!!
Meine Mutter hat immer gesagt, ich hätte schon Reiten gespielt, da konnte ich noch nicht mal richtig laufen. Und weil ich das ganze Zimmer voller Pferdebilder hatte und jede einzelne Pferdepostkarte gesammelt habe, hat mir mein Onkel Robert Vavras Buch „Das Equus“ zum sechsten Geburtstag geschenkt. Die Bilder waren pure Magie für mich. Die Liebe zum Pferd unendlich…
Leider riet der Orthopäde, der mein Hohlkreuz heilen sollte, davon ab, zu reiten. Es sei schädlich für die Wirbelsäule. Also bekam ich ein Klavier zum Trost. Gut 23 Jahre später hatte ich Rückenschmerzen, Verspannungen und eine Muskeldysbalance von der Arbeit. Der neue Orthopäde meinte dann: gehen Sie reiten, das ist super für die Wirbelsäule!
Das habe ich mir nicht zweimal sagen lassen – mit 29 die erste Reitstunde – ich war im siebten Himmel. Ein gewisses Talent war auch da und da Volljährige mit Führerschein und ohne Pferd im Stall eher die Seltenheit sind, hatte ich schnell Angebote, Reitbeteiligungen zu übernehmen.
Ich habe Vollblüter geritten, Hengste, Turnierpferde…und was soll ich sagen – hätte am liebsten die Reithose an den Nagel gehängt. Den meisten Pferden ging es nicht wirklich gut. Sie gingen klamm, durften nicht auf die Koppel, waren rappelmager oder konnten nicht mal Hufe geben. Die Boxen stanken nach Ammoniak, das Heu war oft schimmlig, der Tierarzt Dauergast und Bereiter und Besitzer fluchten ob der schlechten Rittigkeit und des Starrsinns der Tiere.
Aber ich hatte doch die Bilder von Robert Vavra im Kopf… – wie konnte es sein, dass diese magischen Schönheiten nur noch Schatten ihrer Selbst sein durften? Eingepfercht auf neun Quadratmeter, stinkend nach Mist, unwillig und mit Hilfszügeln und Sporen in Formen gepresst, die man allenfalls als Krampf bezeichnen konnte.
Ich weiß, man kann sie nicht alle retten… Auch wenn ich immer versucht habe, es allen Pferden, für die ich etwas tun konnte, so schön wie möglich zu machen. Doch der Frust war zu groß und ich beendete das Reiten auf fremden Pferden und machte mich auf die Suche nach dem einen Pferd, das ich so halten konnte, wie ich es für richtig halte.
Lucky kam mit knapp 10 Monaten zu mir. Ein Vollblut-Mix mit einem unberechenbaren Temperament, schiefen Hufen und null Erziehung. Mein Lehrmeister, Vertrauter und mein blauer Himmel.
Er hat unser Leben verändert, meine Träume erfüllt, meine Seele und meinen Körper getragen und aus mir einen so viel besseren Pferdemenschen gemacht. Wir sind einen teilweise sehr steinigen und anstrengenden Weg miteinander gegangen. Aber ich habe niemals aufgegeben, mich für ihn anzustrengen.
19 Jahre später muss ich ihn gehen lassen. Obwohl er immer so gelebt hat, wie es die Tierklinik nach der Diagnose Magenball empfiehlt (Offenstall, Heu 24/7), hat er nur wenige Wochen nach dem Auflösen der Verstopfung ein Rezidiv. Ja, loslassen müssen ist genau so schlimm, wie man es immer befürchtet. Die Lücke ist so grausam groß.
Meine Freundinnen drängen mich, so schnell wie möglich wieder ein Pferd zu holen, und da mein schöner Stallplatz nicht ewig freigehalten werden konnte, setzte ich mich in Bewegung und fing an, einen Nachfolger zu suchen und fand Jamiroquai (übersetzt: der „Schöne“ und „der Trost“).
Einen Dreijährigen mit 50 zu kaufen …, super Idee Leute, macht das bloß nicht, das gibt ein paar fiese blaue Flecken. Man vergisst, wie es war, einen Rüpel zu erziehen. Aber ich hatte Glück und Hilfe und drei Jahre später ein Verlasspferd, das Lucky in vielem so ähnlich ist, dass ich mir überlege, vielleicht doch an Reinkarnation zu glauben…
Wir haben hoffentlich noch viele Jahre vor uns und ich bin gespannt, was sie bringen werden. Auf jeden Fall habe ich ihm eine liebe Patentante gesucht, im Fall er wird über 30 und ich kann mit über 80 nicht mehr so, wie ich will…
Das Schönste ist die Gewissheit, dass mich meine Pferde bis ins hohe Alter begleiten werden, denn merke: es kommt nicht darauf an, wohin der Weg führt oder wie er beschaffen ist, sondern wer einen begleitet.
Sind unsere Bilder nicht auch ein bisschen magisch? 😉