Lydias Weg mit Camillo

Ganz von vorne…

Ich bin jetzt 57 Jahre alt und habe vor 6 Jahren einen süddeutsches Kaltblutwallach als Reit- und Pflegebeteiligung kennengelernt, um den sich seine Besitzer kaum gekümmert haben und der sehr introvertiert war. Camillo war damals 14 Jahre alt.  Er kannte eigentlich nicht viel und wir haben von ganz vorne angefangen: am Strick gehen, Hufe geben, spazieren gehen und auch longieren.

Babette Teschens Longenseminar war für uns eine Erleuchtung. Da habe ich ihn zum ersten Mal wirklich wach und begeistert bei der Sache erlebt und gesehen, was mit ihm möglich ist. Dann ging es richtig los: wir begannen auch miteinander zu spielen, wie Podest, Hütchen, Teppich ausrollen …

Irgendwann ließ ich ihm einen Sattel anpassen und habe mich auf ihn gesetzt. Da ist mir erst richtig klar geworden, dass er auch eigentlich nicht eingeritten war. Auch das war ein langer  Weg, bis ich langsam auch im Sattel zu ihm durchgedrungen bin und gelernt habe, wie ich ihn motivieren und erreichen kann.

Jetzt wird er einundzwanzig und vieles funktioniert toll. Wir reiten mittlerweile gebisslos. Wir verstehen uns am Boden super. Wir können miteinander motiviert und mit Spaß auf dem Platz arbeiten, im Sattel, an der Longe und auch frei. Wir haben tolle Ausritte und Wanderritte gemacht und im Schritt, Trab und Galopp alles Mögliche bewältigt: steile Hänge klettern, durch Wasser waten, durch Bäume schlängeln, über kreuz und quer liegende Baumstämme kraxeln und vieles mehr …

Alleine ausreiten (ohne Kumpels, nur wir zwei) ist allerdings für ihn oft schwierig, er ist dann ängstlich und neigt dazu, irgendwann Richtung Stall loszustürmen. Das ist für mich ein echter Angstfaktor (vor allem nach einem Sturz, bei dem Camillo Gottseidank nichts passiert ist, ich mir aber mehrere Rippen geprellt habe und mich monatelang nicht schmerzfrei bewegen konnte). Und dann läuft die Zeit viel zu schnell und Camillo und ich werden alt und steif …

4 Kommentare

  1. Tania

    Lieben Dank, Lydia, für Deinen Text – der Camillo ist ja ein toller Kerl! Ich finde es absolut bemerkenswert, das Du alles mit einem doch schon älteren Pferd neu angefangen hast.
    Tja, und alleine auszureiten, … das ist tatsächlich für viele Pferde eine gruselige Angelegenheit. Ich habe das bei meinem Pferd auch erst recht spät begriffen und ihm vorher viel Stress bereitet. Heute verzichte ich drauf und, ganz ehrlich, das würde ich Euch auch emfpehlen. Deine „Angst“ empfinde ich hier als gesunden Menschenverstand 😉 – genieße all das Schöne, was Ihr zusammen erlebt.
    Herzlich,
    Tania

    Antworten
  2. Anke

    Hallo Lydia, ich habe mein Pferd und mich in Deinem Text wiedergefunden, nur das ich erst seit 2 Jahren dabei bin und mein Kaltblütiger Freiberger Wallach tatsächlich eingeritten ist. Ich habe auch schnell auf Gebisslos umgestellt. So einen Riesenkopf tragen war mir zu anstrengend, mache Horsemanship mit ihm und versuche ihn von englisch auf impulsreitweise umzu
    gewöhnen. Beim alleine ausreiten mache ich nur kleine Runden (nach einer ähnlichen Erfahrung wie Du sie schilderst) die ich langsam erweitere, wenn er nervös wird steige ich ab und führe bis er sich wieder sicher fühlt. Ich habe das Glück das mein Pferd sehr deutlich zeigt wie er sich fühlt, ich musste das nur erst lernen.
    Generell einfach super diese introvertierten Kaltblüter die man trotzdem nicht unterschätzen sollte.

    Antworten
    • Lydia

      Liebe Anke, vielen Dank für deine Antwort, das klingt sehr interessant. Und ich finde Freiberger auch wunderbare Pferde!
      Das mit dem ans ausreiten gewöhnen habe ich jahrelang auch so gemacht und gedacht, dass ich es ganz langsam steigere und er so seine Ängste langsam vergessen und überwinden kann. Hat auch lange geklappt, bis auf das eine Mal eben. Jetzt reite ich gar nicht mehr mit ihm alleine aus, nur in Begleitung und auch das nicht mehr oft. Ich gehe aber mit ihm alleine spazieren und merke auch da immer noch große Unterschiede von Tag zu Tag. Manchmal ist er sehr unsicher, manchmal scheint er gar nicht zu merken, dass wir alleine sind, sondern wirkt ganz gechillt und zufrieden (mit lockerer Unterlippe, sein Markenzeichen). Mit dem gebisslosen reiten (sidepull) bin ich nach wie vor komplett zufrieden. Ich habe ihm vor ein paar Monaten spaßeshalber seine alte Trense angelegt, er fand es nicht witzig. Ich habe sie jetzt weggeworfen.

      Antworten
    • Silke Spahn

      Ich taste mich auch gerade ans alleine ausreiten heran. Für mich ist es momentan eine gute Lösung immer den fast gleichen Weg zu gehen, den mein Pferd bestimmen darf und es auch tut. Wir bekommen beide eine gewisse Routine und damit hoffentlich Sicherheit . Absteigen ist natürlich immer eine Option, ich reite mit Bosal und da ist ein langes Führseil ja dabei.

      Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert