Julias Weg

Ein neuer Anfang

Liebe Tania,

Inspiriert von dem Beitrag „Reiten mal ganz anders“ möchte ich heute auch meinen Weg mit meinem Pferd teilen, denn auch ich reite meinen 14-jährigen Wallach nach Jahren als Fußgängerin nun ab und zu wieder.

Gekauft habe ich damals ein sehr braves, junges Pferd mit tollen Dressuranlagen, um ihn vor einem Leben als Sportgerät zu bewahren. In den ersten Jahren habe ich festgestellt, dass er nicht unbedingt „brav“ sondern eigentlich eher „emotional abgestumpft“ war. Er hat die Zeit mit Menschen ertragen, das Reiten ertragen und wenn er hin und wieder doch seine Meinung gesagt hat, wurde er bestraft. Ja, … auch von mir. Das ist das Einzige in meinen Leben, das ich zutiefst bereue. Aber damals gab es für mich leider keine anderen Vorbilder. Überall um mich herum nur der klassische, unterdrückende Umgang, den man auch leider heute noch zu oft sieht.

Zum Glück bin ich dann – endlich muss man sagen! – auf eure Seite „Wege zum Pferd“ gestoßen. Ich war (und bin) so begeistert, dass ich sofort angefangen habe, Dinge zu ändern. So wurde nach und nach aus kleinen Veränderungen eine große Entscheidung: Ich habe der Stimme meines Pferdes Gehör geschenkt und das Reiten aufgegeben. Und trotz vieler blöder Nachfragen Außenstehender, wusste ich: Es ist die richtige Entscheidung. Eine Entscheidung FÜR mein Pferd.

Die Jahre danach waren ein Wechselbad der Gefühle, einerseits wurde das Zusammensein mit meinen Pferd immer schöner, andererseits der Druck und die Angst, meinem Pferd nicht das Allerbeste bieten zu können, immer größer. Irgendwann fühlte es sich nur noch wie eine Belastung an. Ich konnte all das, was in der Haltung nicht optimal umzusetzen war, kaum noch ertragen. Ich konnte das Wissen um seinen schlimmen Start ins Leben (mit 2 Jahren wurde er von seiner ersten Halterin fast zu Tode gehungert) kaum noch ertragen, geschweige denn die Narben, die sich über seinen gesamten Körper ziehen. Dieses Pferd hatte Schlimmstes erlebt und in meinen Augen war das, was ich ihm bieten konnte, nicht ansatzweise genug.

Dann passierte etwas, das sich im Nachhinein als Wendepunkt herausstellen sollte: Mein Pferd war für Monate lahm und quälte sich bei jedem Schritt. Erst nach den Röntgenaufnahmen war klar: Sesamoidose im fortgeschrittenen Stadium, Arthrose an beiden Hinterbeinen, ein Fesselträgerschaden und ein Chip am Hufgelenk. Die Prognose der Tierärztin war ziemlich schlecht … Für manche wäre das vielleicht ein Schock gewesen aber für mich war es eine Erlösung! Ich wusste endlich, dass es richtig war, auf mein Pferd zu hören, und war wie befreit. Ein wunderbares Gefühl zu wissen, dass die Entscheidung für mein Pferd genau richtig war. Und genau das wollte ich auch weiterhin so machen. Ich wollte erstmal auf mein Pferd hören, schauen was er mir signalisiert, und das war eindeutig Lebenswillen!

So verging die Zeit als Fußgängerin mit meinem Pferd, bis ich irgendwann das Gefühl hatte, Spaziergänge im Schritt reichen ihm nicht mehr. Mein Pferd entwickelte eine völlig ungewohnte Lust an Bewegung, sodass ich mich nach vielen lahmfreien Monaten einfach getraut habe, mal wieder aufzusteigen. Ich hätte mir vor einiger Zeit nicht vorstellen können, dass das möglich ist. Reiten war für mich kein Thema mehr. Ich hatte meinem Pferd zuliebe das Reiten aufgegeben und damit ehrlich meinen Frieden gefunden. Bodenarbeit und Spaziergänge haben uns näher zusammengebracht und die Wunden vieler verkorkster Reitstunden geheilt.

Jetzt wieder in den Wald zu reiten und die Energie meines Pferdes zu spüren, ist einfach nur toll. Er will laufen und das darf er auch! Aber eine Lernaufgabe, beinhaltet auch dieser Neuanfang: Es ist ähnlich wie mit Tania und Anthony … – mein Pferd trägt mich gerne, er lässt sich völlig frei satteln und wartet brav bis ich aufgestiegen bin. Aber sobald ich oben bin, nimmt er das Zepter in die Hand und ich darf Beifahrerin sein. Das fällt mir noch sehr schwer, aber ich merke immer öfter, dass ich mich auf ihn verlassen kann. Er lässt sich „im Notfall“ immer bremsen und wieso sollte ich ihn nicht einfach ein bisschen sein Ding machen lassen? Schließlich wollte ich ihm mehr Freiheit und die Möglichkeit, sich auszulasten, geben. Vielleicht ist das der Anfang einer ganz neuen Reitbeziehung, die ich so bisher nicht kannte. Ein neuer Abschnitt in unserem gemeinsamen Leben.

Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, einfach nur zu schauen, was passiert und auf die Signale meines Pferdes zu achten. Die Zeit wird zeigen, wo unser Weg noch hinführt. Aber eins ist sicher: Mein Pferd und ich gehen diesen Weg gemeinsam.

Danke für all die Unterstützung während der vergangenen Jahre!!

Viele herzliche Grüße
Julia

2 Kommentare

  1. Tania

    Liebe Julia,
    ein ganz, ganz herzliches Dankeschön für Deine Geschichte, die einfach nur wunderschön ist. Ich hoffe, sie ermutigt ganz viele dazu, genau wie Du, auf ihr Ihr Pferd zu hören und so ein neues Miteinander zu ermöglichen.
    Das Gefühl der Reue kenne ich selbst auch, … ich arbeite noch immer daran, mir zu verzeihen, denn ich glaube, auch das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg gemeinsamen Weg. Pferde verzeihen uns so vieles, auch darin können wir von ihnen lernen.
    Na, dann schauen wir mal, wohin uns unsere Pferde noch so führen werden! 🙂
    Ich wünsche Euch beiden von Herzen alles Liebe und einen wundervollen, weiteren Weg zusammen,
    Tania

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    • Julia

      Von Herzen vielen Dank für die Begleitung auf unserem Weg, liebe Tania! 😊

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