Ein eigenes Pferd zu haben, ist das Schönste auf der Welt – es ist aber nicht immer auch das Einfachste. Denn während wir durch unsere Entscheidung, ein Pferd zu kaufen, uns in der Regel einen echten Herzenswunsch erfüllen, so sind wir nicht immer auch automatisch der richtige Mensch für das Pferd… Und diese Erfahrung tut verdammt weh.
Ich selbst habe beides erleben dürfen:
Ein Pferd, das zu mir genauso ja sagte, wie ich zu ihm, ohne das ich dafür viel tun musste,
und eines, von dem ich das nicht so einfach geschenkt bekam, obwohl ich alles mir nur Mögliche dafür tat.
Wer mich schon von „Wege zum Pferd“ kennt, hat bereits viele Geschichten von mir und Anthony gelesen, in denen ich über Schwierigkeiten und Herausforderungen mit ihm schrieb. Das Auf und Ab in all den Jahren hat mich manches Mal schmerzlich daran zweifeln lassen, ob ich je der richtige Mensch für Anthony sein kann. Und, obwohl ich es mir lange Zeit nicht eingestand: Dahinter schwang auch die Frage, ob er denn das richtige Pferd für mich ist…
Das Pferd entscheidet
Heute habe ich diese Zweifel nicht mehr. Heute kann ich spüren, dass ich zum richtigen Menschen für mein Pferd geworden bin, weil ich ihn endlich genauso annehmen kann, wie er ist. Dieses wunderliche, komplizierte und eigensinnige Pony, das mich vielleicht besser kennt als jeder andere. Dieser hochsensible, willensstarke und doch so unsichere Haflinger, der mir meine Schatten genauso wie auch meine Stärken gezeigt hat. Dieses wundervolle Pferd, das mir beigebracht hat, was „bedingungslos lieben“ wirklich heißt.
Ich kenne also den Schmerz, den es auslöst, wenn man merkt, dass man seinem Pferd nicht gerecht wird, aber ich habe auch erfahren dürfen, wie sich selbst etwas auf eine zauberhafte Weise verändern kann, das wirklich hoffnungslos erscheint.
Dieses Thema nehme ich mit in meine Arbeit, mit der ich das weitergeben möchte:
Den Mut, den es manchmal braucht, weniger auf andere zu hören als auf das eigene Pferd und sich selbst,
die Zuversicht auch in wirklich schwierigen Phasen nicht zu verlieren und
einen ordentlichen Vorrat an praktischen und pferdefreundlichen Ideen und Ansätzen für ausreichend Flexibilität in allen Situationen.
Ein Wesen zu lieben, kann uns sehr verletzlich machen. Wenn wir lieben, sorgen wir uns meist auch schnell und empfinden Herausforderungen als Belastung. Leider kommt dann unsere Liebe zum Pferd manchmal gar nicht mehr als Liebe bei ihm an …
Sorgen und Probleme können die Liebe zum Pferd auf die Probe stellen …
Wenn unser Pferd zum Beispiel krank wird oder wir andere Probleme mit ihm haben, bringt uns das oft in Not. Diese Not kann dazu führen, dass wir – ohne es zu wollen! – vorwurfsvoll oder genervt, ja vielleicht auch verzweifelt wirken. Das passiert besonders dann sehr leicht, wenn die Schwierigkeiten immer größer werden und eine Art Eigenleben entwickeln. Wenn sie uns also immer mehr von unserer Kraft und Hoffnung nehmen und von unserer Freude.
Pferde spüren das. Deshalb ist es so wichtig, dass wir gerade in sorgenvollen und fordernden Zeiten, gut auf uns achten und liebevoll für uns selbst sorgen. Tun wir das nicht, dann äußern wir Ängste und Sorgen unbewusst oft viel härter als wir uns darüber bewusst sind, was sich dann für das Pferd wie Kritik anfühlen kann, manchmal auch wie Wut oder Aggression.
Unsere Liebe zum Pferd ist eine Kraftquelle
Herausforderungen und Sorgen fordern also von uns, sehr achtsam zu sein in Bezug auf das, was wir in uns fühlen und das, was wir tatsächlich ausstrahlen. Es ist wichtig, nie den Zugang zu unserer Liebe zum Pferd zu verlieren, die ja immer dahinter liegt, wie sehr sie vielleicht auch gerade verschüttet ist. Diese Liebe sollte immer spürbar bleiben – sowohl für unser Pferd, aber eben auch für uns selbst. Denn sie schenkt uns die Kraft, sowohl uns selbst als auch ein anderes Wesen durch schlimme Zeiten auf eine gute Art zu begleiten. Auf eine Art, die keine Schuldgefühle macht, die keine Mauern baut, sondern auf eine, die trotz allem zu einem innigen und nährenden Miteinander führt.
Es passiert einiges in der Pferdewelt. Ich freue mich sehr darüber, dass immer mehr Missstände aufgedeckt und benannt werden, denn es ist wichtig, dem Missbrauch klare Grenzen zu setzen. Und doch ist vor allem das „Wie“ entscheidend.
Was nämlich ganz oft in den Diskussionen über Tierquälerei in der Pferdwelt ganz, ganz oft passiert ist, dass leider nie das in den Fokus gerückt wird, worum es gehen muss: nämlich pferdefreundliche Wege zu finden und sie auch zu leben. Stattdessen ist viel zu oft fast nur zu sehen und zu lesen, wie es genau nicht sein soll. Damit werden die unguten Bilder und Methoden verbreitet und es stehen genau die Personen im Rampenlicht, die nicht pferdefreundlich handeln. Die Namen dieser Leute werden hundert- und tausendfach genannt und noch viel öfter geteilt.
Das ist bitter, weil Aufmerksamkeit in der Medienwelt heute alles ist. Viele machen sich leider Folgendes nicht bewusst: Die Bekanntheit, die diese Menschen gerade durch ihr Fehlverhalten gewinnen, nützt ihnen in der Summe mehr, als sie schadet, denn: Wer sichtbar ist, gewinnt – das ist ein Gesetz unserer Zeit.
Zeigt mehr Pferdefreundlichkeit in der Pferdewelt
Was für eine Pferdewelt hätten wir wohl, wenn sich das Verhältnis umdrehen würde? Wenn also die pferdefreundlichen Ansätze die gleiche oder sogar mehr Präsenz und Aufmerksamkeit bekommen würden, als die nicht-pferdegerechten Ansätze (durch alle Sparten und auf allen Ebenen)? Und wenn Berichte über solche Pferdemenschen, die pferdefreundlich und respektvoll arbeiten, in der Fülle verbreitet werden und geliked würden, wie es mit all den Beiträgen geschieht, in denen genau das nicht getan wird? Was wäre, wenn konsequent die pferdefreundlichen Ansätze zu Zielen und Vorbildern werden würden? Und wenn sie gar zu Medaillen führen würden?
DAS würde alles ändern…
Pferdefreundliches Handeln ist fast immer leise, unspektakulär und sehr innig. Warum nur ist das so wenig medienwirksam, wo es doch so wunderwunderschön ist?
Wenn ich auf der Suche nach schönen Zitaten für „Wege zum Pferd“ bin, dann finde ich es nicht nur spannend, wie viele Pferdezitate auch auf das allgemeine Leben zutreffen, sondern fast noch mehr, wie viele allgemeine Zitat auf den Umgang und das Miteinander mit Pferden passen!
Zum Beispiel fand ich neulich diese Aussage:
„Wer stark ist, kann ich erlauben, leise zu sprechen.“
Theodore Roosevelt
Als ich diese Zeilen las, hüpfte mein Herz ein bisschen vor Freude, denn das drückt so zutreffend aus, was ich ganz oft zu vermitteln versuche!
Leise sind die Starken
Wir leben in einer ziemlich lauten Welt, in der sich viele durch Brüllen und Imponiergehabe Gehör verschaffen (gilt für Menschen untereinander, aber auch Pferden gegenüber). Laut zu werden ist aber kein Ausdruck von echter innerer Stärke! Das ist etwas, das wir sehr gut bei Pferden beobachten können: Es sind die unsicheren Pferde, die bei Zusammenführungen viel Trara und Geschrei machen, während die wahren Führungspersönlichkeiten (zu Recht) bei neuen Begegnungen auf ihre natürliche Autorität und Stärke vertrauen.
Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich bin früher viel zu oft laut geworden und muss mich bis heute immer wieder ermahnen, nicht in alte Muster zu fallen. Das liegt vor allem daran, dass mir nie vermittelt wurde, wie ich Grenzen sanft und leise setzen kann, sondern eben nur durch Gebrüll, Druck und Strafen. Auf meinem Weg habe sehr vieles hinterfragt und herausgefunden, dass alles auch anders geht. So weiß ich heute, dass ich aus Hilflosigkeit so handelte und dass sie leider ganz oft in die Gewalt führt. Ich bin über die Jahre immer leiser geworden mit den Pferden. Und achtsamer. Und ich versuche, immer erst zu verstehen, bevor ich handle. (Übrigens alles Punkte, die ich erst mir selbst gegenüber leben lernen musste, bevor ich sie tatsächlich mit den Pferden leben konnte …)
Und so kann ich heute sagen: Lauter werde ich tatsächlich fast nur noch, wenn es etwas zu lachen gibt! 😀
Schreib mir in den Kommentaren gerne einmal, ob Du mit dem Zitat etwas anfangen kannst und ob auch Du vielleicht schon erleben konntest, dass leiser zu werden, es viel leichter macht, zuzuhören?
Ich mag Türen viel mehr als Fenster, denn durch Türen kann man gehen, durch Fenster nur schauen. Was wir hier in den Social Media sehen, ist oft nur ein Blick aus dem Fenster. Ein Blick aus dem Fenster in mehr oder weniger reale Welten. Wir sehen andere, wie sie mit ihren Pferden umgehen, wir sehen spektakuläre Aktionen, wir lesen ein paar Worte dazu, die ein Bild in eine bestimmte Richtung interpretieren. Aber was wir nicht erleben, ist das echte Pferdeleben.
Ein Blick aus dem Fenster lässt uns nicht viel fühlen, lässt uns nichts hören, nichts riechen, nichts tun, sondern lässt uns nur etwas sehen — und das kann auch ein falscher Eindruck sein. Eine Tür hingegen können wir öffnen. Um das zu tun, müssen wir selbst aktiv werden. Was wir dann dort finden, ist unsere Welt – die einzige Welt, die wir selbst wirklich erleben und auch gestalten können.
Rein ins echte Pferdeleben
An diesem Wochenende habe ich mich nach einer langen Arbeitswoche mit viel Zeit am Rechner bewusst auf Social-Media-Entzug gesetzt und war gaaaanz viel draußen. Bei den Pferden und auf den Pferden und auf meinen eigenen Füßen unterwegs im Wald… Nun bin ich satt, zufrieden und glücklich. 🧡
Wie geht es Euch damit? Müsst Ihr Euch auch manchmal klarmachen, dass so ein Zuschauer-Dasein deutlich zu wenig ist und dass es sooo gut tut, einfach rauszugehen und „in echt“ zu leben? Schreibt mir dazu in den Kommentaren.
Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber so oft ich auch beim Abäppeln auf dem Paddock über Matsch fluche oder auf der Wiese darüber, dass ich die Äppel immer aus den längsten Stellen des Grases herausfischen muss, so schätze ich diese Arbeit auch und möchte sie nicht missen.
Abäppeln gehört dazu
Für mich haben solche Tätigkeiten schon als Reitanfängerin dazugehört und ich denke, niemand sollte einfach nur reiten, sondern immer auch praktisch bei der Versorgung anpacken. Das schafft ein Bewusstsein darüber, dass wir es nicht mit (Sport-)Geräten zu tun haben, sondern mit lebendigen Wesen mit vielen Bedürfnissen. Darüber hinaus gibt es so viel Spannendes zu beobachten, während man auf einer Wiese oder dem Paddock abäppelt: Einfach mal nur schauen, was die Pferde tun und wie sie sich verhalten, wenn man nichts mit ihnen unternimmt, sondern quasi zu einem Teil der Landschaft wird. Und wie weit mein Herz aufgeht, wenn Anthony, während ich mit dem Mistboy unterwegs bin, ganz gemütlich zu mir geschlendert kommt und mal schaut, ob er vielleicht noch ein Leckerli bekommt oder eine Streicheleinheit, und dann in meiner Nähe bleibt. Von außen gesehen ist das für viele sicher nichts Besonderes, ich finde es wunderschön.
… und schenkt mir etwas
Aber da ist noch mehr: Abzuäppeln erdet mich. Es ist etwas Notwendiges und Sinnvolles und es bringt mich herrlich runter auf ein normales Maß in der Beurteilung von dem, was wirklich wichtig ist und was nicht. Irgendwie scheint die Welt immer verrückter zu werden und oft fühle ich mich schrecklich überfordert mit all den vielen Informationen, Nachrichten, Bedrohungen, Optionen, Forderungen, Aufrufen und Entscheidungen, die ich treffen muss. Wie gut es da tut, hin und wieder solch klare Aufgaben zu haben, bei denen es nicht viel zu bedenken gibt, sondern die einfach erledigt werden müssen.
Und eine Prise Humor ist auch noch drin, denn am Ende schmunzle ich fast immer, weil genau da, wo ich begonnen hatte, garantiert schon wieder zwei, drei Haufen liegen. 😏
Nun würde mich ja sehr interessieren, wie Euer Verhältnis zum Abäppeln ist – nur ungeliebt oder könnt Ihr der Sache auch etwas abgewinnen? Schreibt mir gern was in die Kommentare!